Der Anfang in Stockstadt
Am 1. Januar 1899 wird der Freiwilligen Feuerwehr Stockstadt per Urkunde bestätigt, dass sie Mitglied im Bayerischen Landes-Feuerwehr-Verband ist, und dass sie als am 14. März 1878 „gegründet” in die Grundliste des Verbandes eingetragen ist. Damit ist der Beginn der Freiwilligen Feuerwehr Stockstadt terminlich fixiert.
Die Chronik seit dieser Zeit wurde öffentlich dargestellt in unseren Festschriften zum 90-jährigen, zum 100-jährigen und zum 110-jährigen Jubiläumsfest, und zuletzt in der Ausstellung über die Geschichte der Feuerwehr im Heimatmuseum Stockstadt von Ende 2000 bis Anfang 2001.
Der Anfang des Brandschutzes
Wir werden nie den Zeitpunkt herausfinden, ab dem der Mensch nicht mehr vor dem Feuer flüchtete, sondern sich ihm entgegen stellte. Dieser Zeitpunkt ist aber der Beginn des Feuerlöschwesens überhaupt. Und die Erfahrung, dass man gemeinsam und gut vorbereitet besseren Erfolg erzielt als einzeln, ist sicher fast so alt wie das Feuerlöschwesen selbst.
Einige Jahre vor Christi Geburt gab es schon privat organisierte Löschmannschaften in Rom. Weil sich diese aber geschickt der kaiserlichen Überwachung entzogen und häufig die Brände erst nach dem Aushandeln eines guten Preises löschten, wurden sie bald durch eine staatliche Feuerwehr abgelöst.
So beginnt im Jahre 22 vor Christus während der Herrschaft des Kaisers Augustus die Geschichte der staatlich/obrigkeitlich organisierten Brandbekämpfung in Rom mit der Aufstellung einer Feuerwehrgarde. Neben konventionellen Instrumenten wie Eimern, Äxten, Brecheisen, Leitern, Patschen und Haken, standen auch die schon in hellenistischer Zeit erfundenen Feuerspritzen zur Verfügung.
Der Anfang in Deutschland
In Deutschland oblag seit den Stadtgründungen bis ins frühe 19. Jahrhundert hinein die Feuerlöschordnung, also die Aufstellung und die Übung der Löschmannschaften, sowie die Beschaffung der Geräte, der jeweiligen Ortspolizeibehörde.
Warum kam es aber zur Bildung der Freiwilligen Feuerwehren als bürgerschaftliches Selbsthilfeinstrument im Sicherheitswesen der Gemeinden, als straff organisierter Verein mit Elementen demokratischer Selbstverwaltung? Hierzu einige Zitate aus Brandberichten zum Ende des 18. Jahrhunderts:
„Da ist nichts als Toben, Schreien, Schimpfen, denn jeder will seinen guten Ratschlägen Gehör verschaffen; man sagt sich gegenseitig Komplimente, deren geistreiche Zusammensetzung den deutschen Sprachschatz in der eigenthümlichsten Weise vermehren dürften.”
Oder: „Dann brachten die Handwerker ihre Werkzeuge mit, andere schleppten die Löscheimer und die schweren hölzernen Feuerspritzen herbei; die Amtspersonen aber versammelten sich und beratschlagten, wie zu helfen sei.”
Weiter: „Man muß Zeuge gewesen sein, wie in den Nachtstunden die ganze Stadt von einem Ende bis zum anderen um eines unbedeutenden Brandes willen aufgeschreckt wurde, ohne daß über den Ort und die Beschaffenheit desselben eine gewisse Kunde zu erlangen war.”
Unzufrieden mit der Wirkungslosigkeit der mittelalterlichen „Feuerlöschordungen”, ergriffen angesehene Bürger im 19. Jahrhundert in größeren Städten Südwestdeutschlands in der Zeit des Vormärz die Initiative, und gliederten den Bürgermilitär-Corps freiwillige Brandschutzgruppen an.
Das so entstandene Durlacher Corps unter Stadtbaumeister Hengst, mit einer „Metz”-schen Spritze, erzielte beim Brand des großherzoglichen Hoftheaters zu Karlsruhe im Februar 1847 einen derartigen Erfolg und Aufsehen, dass sich die Statuten der „Durlacher” und die Spritzen von Carl Metz zu einem Exportschlager aus badischen Landen entwickelten.
Während der Ereignisse 1848/49 kam es zur Radikalisierung einiger Bürgermilitär-Corps: Manche Feuerwehrcorps (auch das aus Hanau) nahmen an Aktionen des Aufstands teil, andere spalteten sich ab und zogen sich zurück. Die Reaktionsepoche bewirkte dann ihr übriges, so dass sich die Feuerwehrvereine, die ja Selbstverwaltungsaufgaben übernommen hatten, nicht mehr weiterentwickeln konnten, und für ein Jahrzehnt war es nicht opportun, sich um die Gründung neuer Vereine zu bemühen.
Zum Durchbruch gelangte die Idee der Freiwilligen Feuerwehren in Baden mit dem Anbruch der liberalen Ära. Im Zuge des expandierenden Wirtschaftsbürgertums wurde ein wirkungsvollerer Schutz, als ihn die herkömmlichen Feuerlöschordnungen bieten konnten, notwendig.
Kaufleute, Handwerker und liberale Verwaltungsbeamte initiierten in größeren Städten die Gründung der Institution „Freiwillige Feuerwehr”.
Weil die Idee „Freiwilliger Löschvereine” schon vor 1848/49 publiziert worden war und weil in den neuen Freiwilligen Feuerwehren auch über liberale Wirtschafts- und Kommunalpolitik geredet wurde, blieb noch lange Zeit das Misstrauen der Staatsbehörden bestehen.
Die Gründer mussten also einen deutlichen Bruch mit den Elementen der vormärzlichen Forderungen vollziehen. Dieser Bruch bestand in einem ideologischen Seitenwechsel und manifestierte sich in der Etablierung eines dem Militär entlehnten Wertekodex.
Der Dank des Landesherren blieb nicht aus: Allerorten durften nun nach und nach Freiwillige Feuerwehren gegründet werden und der Ordenssegen für treue Diensterfüllung und Loyalität wurde eingeführt.
Seit der Reichsgründung 1870/71 wurden auch die Feuerwehren von der allgemeinen Militarisierung und Kasernierung der Gesellschaft erfasst und sie kopierten Strukturen, Mentalität und Habitus des Militärs.
Das postulierte Bewusstsein, als anerkannte Trägerin von hoheitlichen Aufgaben unbedingt jenseits politischer Realitäten stehen zu müssen, bewirkte letztendlich die Ansiedlung der Feuerwehren im konservativ-restaurativen Lager und den Abbau der demokratischen Prinzipien, wie sie eigentlich aus der Zeit der Feuerwehrgründungen vor 1848 bekannt waren.
Stockstadt
des Wassers an die Feuerspritze und nicht zur direkten Brandbekämpfung.
Wie sollte letzteres auch funktionieren?
Interessant ist ein Dokument von 1860: „Feuerordnung und Verzeichnis der vorhandenen und bei Löschung von Feuersbrünsten zu verpflichteten Personen der Gemeinde Stockstadt”. Die Abhandlung ist noch ganz im Stil der längst als wirkungslos erkannten mittelalterlichen Löschordnungen gehalten. Erst 1875, also 15 Jahre später, wurden die verpflichteten Personen über den Inhalt der Feuerordnung informiert.
Jedenfalls wurde auch in Stockstadt nach 1870/71 eine Freiwillige Feuerwehr gegründet, und es heißt in der uns vorliegenden Urkunde, dass dieses am 14. März 1878 geschehen ist.
Zu diesem Termin einige Zitate aus einem Brief an die Gemeinde Stockstadt:
Nr. 299 Aschaffenburg, 25. Januar 1878 K. Bezirksamt Aschaffenburg
Betreff: Freiwillige Feuerwehr in Stockstadt
Aus Ihrem Bericht vom 20. dieses Monats habe ich mit Befriedigung entnommen, daß in Stockstadt eine Freiwillige Feuerwehr gegründet worden ist.
Dem Vorstand derselben ist zu eröffnen, daß eine solche Feuerwehr als ein nichtpolitischer Verein aufzufassen ist, welcher Vorstandschaft und Statuten hat, deshalb nach Art. 12 des Gesetzes vom 26. Februar 1850 über Versammlungen und Vereine verpflichtet erscheint, ihre Gründung und jede Veränderung ihrer Vorstandschaft und Zwecke bei der Ortspolizei anzuzeigen, daß ...”
... Übrigens wird der Gemeindeverwaltung empfohlen, den nun ins Leben getretenen Verein im Interesse der Gemeinde kräftig und opferwillig zu unterstützen und alle Hindernisse, welche sich bei der Entwicklung und dem Gedeihen desselben entgegenstellen, dienstlich hinwegzuräumen ... usw.
Resümee
Beim Vergleich der Geschichte in Deutschland mit den Fakten in Stockstadt erkennt man unschwer die Spiegelung der „politischen Großwetterlage” hinein in die kleine Gemeinde.
Mögen uns auch manche Begründungen der damaligen Obrigkeit seltsam erscheinen, jedenfalls hat sie jahrzehntelang die Übernahme allgemeiner (Brandschutz-) Aufgaben durch die Bürgerschaft selbst erfolgreich blockiert landesweit und hier in Stockstadt.
Und wenn man aus der Geschichte lernen will, dann darf ein Vergleich der früheren Obrigkeit mit der heutigen Bürokratie nicht fehlen. Den Vergleich möge aber jeder selbst anstellen.